"Einfach heiraten" in Weiden ein Erfolg

Pfarrerin Berckmüller mit einer spontanen Hochzeit
Bildrechte Stefan Fischer

Es ist neun Uhr morgens, als im evangelischen Pfarramt in Weiden langsam Bewegung in die Gänge kommt. Die ersten Geistlichen treffen ein, herzlich begrüßt, mit Thermoskannen, Notizen, Requisiten und Ideen im Gepäck. Es wird gelacht, gescherzt und letzte Absprachen werden getroffen. In einer Stunde beginnt etwas, das zu diesem Zeitpunkt noch niemand in Weiden in seinem ganzen Ausmaß erahnen kann: „Einfach heiraten, eine landeskirchenweite Aktion der bayerischen evangelischen Landeskirche. Zu diesem Zeitpunkt sind 12 Paare angemeldet. „Schauen wir mal ob sonst noch wer spontan vorbei kommt“ sagt jemand. Außen regnet es, das Wetter ist nicht besonders einladend. Doch im Pfarramt und in der daneben liegenden Kirche haben ganz fleissige Helferinnen und Helfer am Tag davor mit Herzchendecko verschiedensten Formen, alles getan um eine einladenden Atmosphäre zu schaffen. 24 Mini Hochzeitstorten, liebevollst gebacken und dekoriert sind das Highlight.

Von 10 bis 17 Uhr, so der Plan, sollen Paare kommen können – ohne große Planung, ohne Formularstapel. Einfach vorbeikommen, sich segnen lassen, ihre Liebe feiern. Und die Geistlichen sind vorbereitet: Alle haben sich daheim Gedanken über mögliche Predigtimpulse gemacht. Als sich alle am Morgen gegenseitig ihre Ideen vorstellen bricht Gelächter aus: denn nacheinander ziehen die Geistlichen Gegenstände aus ihren Taschen – und schnell wird klar, dass offenbar alle zu Hause denselben Gedanken hatten:„Für ein gutes Predigtgerüst braucht es unbedingt einen Gegenstand.

Bald steht ein bunter Haufen von Dinge auf dem Tisch: Da sind Spanngurte, die für Halt und Elastizität in der Beziehung stehen, Ferngläser für den Blick in die gemeinsame Zukunft, Wanderrucksäcke als Sinnbild für den gemeinsamen Weg, Herzchenbrillen, durch die die Liebe in neuem Licht erscheint, geflochtene Bänder als Zeichen für Verbundenheit – und natürlich: Konfetti. Viel Konfetti.

All diese Dinge dienen später als Einstieg, als Bild, als Brücke zu dem, was zählt: dem echten Leben der Paare. Denn nach einem persönlichen Gespräch werden daraus individuelle Segnungen, in die Stationen aus den Lebensgeschichten eingeflochten werden. Und genau darin liegt die große Stärke dieses Tages: tiefgründig und persönlich, mit einem Lächeln und jeder menge Segen.

Und dann klingelt das Telefon. Eine Frau meldet sich, aufgeregt. Seit fünf Jahren ist sie mit ihrem Mann verheiratet. Sie hat im Radio von der Aktion gehört. Eben haben sie ihre alten Hochzeitskleider anprobiert – und festgestellt: Sie passen noch. „Die Beziehung passt auch noch“ sagt sie. Jetzt möchten sie ihre Beziehung unter Gottes Segen stellen. Spontan. Aus dem Herzen heraus. Der erste Gänsehautmoment des Tages.

Fast zeitgleich steigt draußen eine Frau aus einem Auto. Ganz in Weiß, mit Reifrock, Schleppe, Schleier. Ein Bild wie aus einem Film –  mitten in Weiden. Von nun an geht es im Pfarramt zu wie in einem Bienenstock. Es wird telefoniert, erklärt, Sprüche werden gesucht, Musik wird ausgewählt, Zeitlücken gesucht und organisiert. Menschen kommen einfach vorbei, andere sind angemeldet. Paare in Dirndl und Lederhose, im Brautkleid, in Jeans und Sneakers. Junge Menschen, Frischverliebte, Ehepaare, die ein halbes Leben schon miteinander teilen. Verheiratet, verlobt, mit oder ohne kirchlichen Segen – alle mit demselben Wunsch: „Wir wollen unsere Beziehung feiern, und den Segen Gottes spüren, dieses Kribbeln auf der Haut. Sagt eine Mann bei der Anmeldung.

Das Pfarramt wird zum Festhaus. In einem Raum melden sich Paare an, in einem anderen gibt es Kaffee und Tee zur Einstimmung. Es wird geredet, getröstet, gefragt. In stilleren Räumen führen die Geistlichen persönliche Gespräche, bereiten sich auf die nächsten Segnungen vor. Und in einem großen Raum funkelt es: Sektgläser klirren, die Mini-Hochzeitstorten werden verteilt, es wird diskutiert, wessen Hand beim Anschneiden oben liegt und immer wieder schallt ein fröhliches „Herzlichen Glückwunsch!“ durch die Gänge. Die Stimmung ist so ganz besonders. So fröhlich und ausgelassen, so voller Liebe.

Es ist eng in den Fluren, aber das tut der Atmosphäre keinen Abbruch. Im Vorbeigehen gibt es spontane Komplimente – über das Kleid, die Blumen, die Geschichte, das Leben. Fremde lernen sich beim Sektempfang nach der Segnung kennen, tauschen Erinnerungen aus, erzählen von früher oder von ihren Zukunftsplänen. Es wird geweint – vor Rührung, vor Glück, manchmal vor Erleichterung. Menschen werden spontan umarmt. Zwischen Brautpaaren, Geistlichen, Helferinnen und Besuchenden entsteht eine Gemeinschaft, erfüllt von der Liebe und purer Freude über den Segen Gottes.

Und drüben in der Kirche wird im Akkord gesegnet – und doch individuell, persönlich, würdevoll. Konfetti fliegt. Musiker*innen geben Mini-Konzerte zum Besten. Erinnerungsfotos werden geschossen, mit Lachen, Freudentränen, Blumensträußen.

Am Ende des Tages sitzt eine Frau, die den ganzen Tag durch das Pfarramt gewirbelt ist – hier ein Sektglas, dort eine Anmeldung, dann eine Urkunde –, barfuß im Flur. Müde, aber mit einem lächeln auf den Lippen. Sie sagt leise: „Das war heute wie eine große Familie, sowas wundervolles habe ich noch nie erlebt“  ich setzte mich daneben: „Das war der Segen Gottes. Da bin ich mir ganz sicher, heute habe ich ihn so richtig gespürt.

Weiden rund um die Kirche St. Michael war heute erfüllt vom Segen: Der Segen war in der Kirche zu spüren – bei jedem einzelnen Paar. Und im Pfarramt, da ist etwas so einmaliges passiert:
In dieser besonderen, offenen, liebevollen Gemeinschaft, die sich dort ganz spontan gebildet hat – zwischen Geistlichen, Paaren, Helfenden, Besuchenden – da war der Segen Gottes greifbar, spürbar, lebendig.

„Da hat der Heilige Geist durch die Gänge geweht.“ sagt eine der Mitwirkenden am Abend, die immer noch mitten im bunten Trubel steht.

Und so gehen wir spät, nachdem jeglicher Zeitplan gesprengt wurde, alle müde, lächelnd und gesegnet aus dem Pfarramt, dass sicher viele Tage noch mit Herzchendeko geschmückt sein wird und uns alle an diesen einmaligen Tag erinnert. Der Tag an dem alle gemeinsam den Segen Gottes im Pfarramt ganz dolle gespürt haben.